Ihr Lieben,
gar nicht so lange ist mein letzter Blogeintrag nun her – der aufmerksame Leser kann sich sicherlich erinnern 🙂
Aber dieser Eintrag hier schlummert schon seit längerem.
Das Thema heute ist „DANKBARKEIT“.
„Dankbare Menschen sind glücklicher, weniger depressiv, weniger unter Stress und zufriedener mit ihrem Leben und ihren sozialen Beziehungen.[19][22][23] Dankbare Menschen haben auch ihre Umgebung, ihr persönliches Wachstum, ihren Lebenssinn und ihr Selbstwertgefühl besser unter Kontrolle.[24] Dankbare Menschen haben mehr positive Möglichkeiten mit den Schwierigkeiten in ihrem Leben umzugehen, bitten andere Menschen wahrscheinlicher um Unterstützung, wachsen anhand dieser Erfahrung und verwenden mehr Zeit, um zu planen, wie sie mit dem jeweiligen Problem umgehen sollen.[25] Dankbare Menschen haben auch weniger negative Bewältigungsstrategien, versuchen weniger leicht, das jeweilige Problem zu vermeiden oder wegzudefinieren, sie suchen Schuld weniger bei sich selbst oder bewältigen das Problem weniger durch Drogengebrauch.[25] Dankbare Menschen schlafen besser, vermutlich weil sie weniger negative, mehr positive Gedanken vor dem Einschlafen haben.“
Das alles sagt uns Wikipedia 🙏
Nun wäre ich ja nicht ich, wenn ich nicht eigentlich einen ganz anderen, aber doch ähnlichen Blogeintrag schreiben wollte. Denn ich wollte meinen Blogeintrag schon zuerst „eine Ode an mein Immunsystem“ nennen – es wird in diese Richtung gehen :).
Es ist mir nach den jüngsten Ereignissen noch mehr ein Anliegen, ein Loblied auf meine „andere“ Gesundheit zu singen. Nein, ich werde hier nun nicht die schiefesten Töne zum Besten geben, das gibt das geschriebene Wort leider nicht her. Aber ich habe schon längere Zeit den Gedanken, mich einfach mal bei diesem Ding namens Immunsystem zu bedanken. Das sogar ganz ernsthaft und ohne Jux.
Denn mein Immunsystem startete in jungen Jahren schon den Angriff auf meine Bauchspeicheldrüse und ich wurde somit innerhalb kurzer Zeit im Alter von 5 Jahren zum juvenilen insulinpflichtigen Typ1-Diabetiker. Die Ärzte können sich bis heute die Entstehung eines Typ1-Diabetes nicht erklären, wohl aber die Entstehung des Typ2. Der grundlegende Unterschied ist, dass bei dem Typ1 die Bauchspeicheldrüse kaum bis kein Insulin mehr produziert. Das ist das Hormon, dass im Stoffwechsel dafür sorgt, dass in der Leber die bei der vorherigen Mahlzeit zu sich genommenen Kohlehydrate ordentlich zerteilt verarbeitet und quasi abgebaut werden. Somit also der Gegenspieler der aufgenommenen Energie.
Bei dem Typ2-Diabetes wird noch Insulin produziert, das aber zu langsam und träge und kann somit mit viel Bewegung, gesunder Ernährung und evtl. Tabletten behandelt werden.
Das war aber bei mir nicht der Fall. Die Diabetestherapie sah vor, dass man mit zwei verschiedenen Insulinen arbeitet.
– ein „Langzeitinsulin“, das morgens gespritzt wurde und für den ganzen Tag den grundlegenden Bedarf decken sollte, und
– ein „Normalinsulin“, das eine kürzere Wirkdauer hatte und eine gewisse Zeit vor den Mahlzeiten gespritzt werden musste.
Alles in das Unterhautfettgewebe: Bauch, Beine (also Oberschenkel) oder Po.
Und dazu musste regelmäßig der Blutzucker gemessen werden. Durch einen Pieks in die Fingerkuppe wurde ein Blutstropfen auf den Teststreifen getropft und erst nach 2 Minuten wusste ich meinen aktuellen Blutzuckerwert.
Man kann sich vorstellen, dass das für ein Kind und dessen Eltern alles andere als schön und angenehm war. Und dazu noch die unqualifizierten Kommentare mancher Dorfmitbewohner 🙄 „das hast jetzt davon, dass du immer Sahnebonbons genascht hast“ – und das ausgerechnet von derjenigen, die immer alle Kinder mit Bonbons versorgt hatte, die an ihrem Garten vorbei liefen (und das taten alle Kinder natürlich absichtlich öfters, weil sie ja wussten, da sind Bonbons zu bekommen 😅🤷♀️).
Jedenfalls war es im Kindesalter nicht einfach mit dem Diabetes. Bei Geburtstagsfeiern meiner Freunde hatte ich immer mein eigenes vorab abgemessenes Essen dabei, denn man konnte früher nicht „einfach so“ ein Kuchenstück genau abschätzen und wusste ja auch nicht, mit welchem Rezept dieser Kuchen gebacken wurde und wo sich in welcher Höhe die Kohlehydrate verstecken.
Eine Über- oder Unterzuckerung wollte niemand riskieren. Für meine Eltern war das auch eine sehr schwierige Situation, da es keine Selbsthilfegruppe oder ähnliches gab, wo man sich von anderen Eltern mit Typ1DiabetesKindern Anregungen hätte holen können – ein Erfahrungsaustausch fand somit nur hauptsächlich mit dem Kinderarzt statt bzw. dann mit der Mutter meiner „ältesten“ (damals noch Brief-)Freundin.
Wir lernten uns bei einer „Kur für diabetische Kinder und Jugendliche“ kennen und unsere Mütter haben damals für uns erst noch den Kontakt gehalten, bis wir uns dann selbst Briefe schrieben und uns gegenseitig besucht haben.
Einziger Nachteil: unterschiedliche Ferienzeiten zwischen Bayern und Schleswig-Holstein. Die haben sich jeweils nur für 1 Woche überschnitten und die wurde voll ausgenutzt! 👍🏻☺️ Jedenfalls waren das einfach noch ganz andere Zeiten im Gegensatz zu heute.
Erst kürzlich habe ich in Berlin Kathy und Mandy kennen gelernt.
Beides Mütter mit Kindern, die Diabetes haben. Sie kümmern sich und haben die Webseite https://kinder-mit-typ1-diabetes.net ins Leben gerufen.
Ich bin so dankbar dafür, dass heutige Eltern es um ein Vieles leichter haben, sich Infos anzulesen, zu sehen, wie andere Familien das so wuppen und vielleicht auch persönlich sich einen Rat holen können.
Natürlich ist jeder Mensch und besonders jedes Kind anders. Und natürlich muss bei B nicht genau das funktionieren, was bei A funktioniert. Aber das Gefühl zu haben, halbwegs aufgefangen zu werden, ist äußerst wertvoll!
Ich hatte das später in meiner Kindheit auch. Mein Diabetologe fragte mich, ob ich denn daran interessiert wäre, mich mit anderen diabetischen Kindern und Jugendlichen auszutauschen. Klar hatte ich Interesse 🙂 Man muss dazu sagen, dass dies in einer Zeit war, als es gerade erst so richtig anfing, mit diesem ominösen Internet, das noch kein wirkliches war. Es musste ein Modem angeschafft werden, man musste sich einwählen und konnte dann quasi in Kommandos kommunizieren. Alles noch nicht so schick, wie heute, aber für mich war das schon ein riesen Ding, das „Projekt-D„. Das tollste daran war, dass wir uns je nach Wohnortnähe auch öfter getroffen haben (okay, 2-3mal im Jahr).
So war ich z.b. mal zum Besuch eines Bayern-3-Festivals bei meiner Freundin Barbara, die in der Nähe von München wohnt. Dort hatte ich meine erste und einzige fetzen Hyperglykämie, also ein extremer Überzucker, der schlimmstenfalls lebensbedrohlich enden kann. Klar, ich hatte meine Werte nicht im Griff, hab gedacht „ach das passt schon“ und naja… war nicht so schön 😦
Aber das hat uns irgendwie so zusammengeschweißt! Und auch wenn wir uns eine zeitlang dazwischen nicht gesehen hatten, kommt das nun wieder häufiger vor.
Z.B. beim Wings-For-Life-Run 🙂 Und da kommen wir passenderweise wieder zum Thema Dankbarkeit.
Nun heißt mein Blog ja nicht Chronischhoch3, wenn es sich nur um den Diabetes drehen würde. Bei mir kam dann in 2002 noch eine weitere Diagnose dazu, die an sich eher mal nicht so wirklich besorgniserregend war – im täglichen Leben aber auch einfach quasi mit abgehandelt werden muss(te). Hashimoto, eine chronische Entzündung der Schilddrüse. Moment.. eine Autoimmunreaktion, ähnlich dem Diabetes.
Man könnte meinen, ich kann mich selbst nicht leiden? Naja.. zuweilen mag das zutreffen. Manchmal habe ich schon Launen, da mag ich mich wirklich nicht so gut leiden. Aber deshalb selber gegen mich vorgehen? Nee…. viel zu anstrengend 🙂
Das war nun also das nächste Brett, für mich aber mit einer morgendlichen Tablette gut behandelbar. Der Diabetes brauchte da immer eine größere Aufmerksamkeit.
Kommen wir nun also zu Nummer 3, die MS (Multiple Sklerose, viele Entzündungen).
Moment – ist nicht meine Schilddrüse schon chronisch entzündet? Und ist nicht auch der Diabetes eine Autoimmunerkrankung? JA, richtig, volle Punktzahl!
Die MS bekam ich diagnostiziert, als ich gerade den schönsten Tag meines Lebens hinter mir hatte. Meine Hochzeit. Sicherlich hatte ich davor und danach auch schon viele schöne Tage, aber das ist ein Klischee, mit dem ich nun gerade mal spielen mag.
Denn in echt war der Tag zwar wirklich superschön (und natürlich perfekt geplant, was sonst), aber so wirklich bewusst habe ich die Hochzeit nicht erlebt.
Zum einen habe ich (wie passend) auf dem linken Auge wie durch einen weißen Schleier gesehen. Die kortisonhaltigen Augentropfen, die mir die Augenärztin vorher mitgegeben hatte, wirkten eher so lálá.
Ich erinnere mich, dass ich in der Kirche sogar fast mein Ehegelübde vergessen hatte, das ich gleichzeitig mit meinem Mann sprach. War es die Nervosität? Der Blutzuckerspiegel? Die Aufregung? Wer weiß…. Ich hing mit den Augen an den Lippen meines Mannes und irgendwie haben wir es doch hingebracht 🙂
Dann hieß es am Montag drauf erstmal „geh mal ins Krankenhaus und lass ein MRT machen“. Ja hätte mir mal einer zu dem Zeitpunkt erzählt, was ein MRT ist und was man da sonst noch so für tolle Untersuchungen anstellt.. ich wäre vermutlich nicht so naiv gewesen zu denken „ach das geht ja schnell.. wir können dann noch schön irgendwo mittag essen gehen“. Nee, es hieß „Sie dürfen gleich hierbleiben“. Ich fand mich dann in einem Krankenzimmer wieder, mir wurde Kortison intravenös verabreicht und ich wusste gar nicht, was um mich herum geschieht und was das alles soll.
2 Tage später kam dann der Oberarzt, redete etwas von MS und dass ich doch sicherlich schon mit der MS-Schwester gesprochen hätte (wer? wie? was? oder auch: Häääää????) und ich hab gar nix mehr gecheckt. Erst im Anschluss bekam ich mit, was diese 2 Buchstaben überhaupt bedeuten. Nämlich (mal wieder) eine entzündliche Krankheit, bei der die T-Zellen des Immunsystems verrückt spielen und das eigene Nervengewebe angreifen.
Ja danke auch 😦 Reicht es nicht schon, was ich so schon alles mit mir herumschleppe?
Das war keine wirklich einfache Zeit für mich.. aber noch schlimmer war es, meiner Schwester davon zu erzählen. Immerhin – ich wusste, dass sie eine Freundin hat mit MS, aber ich wusste nicht, wie es ihr in dem Moment geht. Und das hat mich noch mehr fertig gemacht, weil ich dachte „wenn es der Freundin grad schlecht geht, wie sehr macht sich meine Schwester dann Sorgen um mich? Oder geht es ihr grad gut? Das wäre dann um ein Vielfaches leichter…“
Aber auch das haben wir hinbekommen. Und meine wichtigste Stütze bei allem war und ist seitdem mein Mann. Denn anstelle schreiend davon zu laufen, hat er sich neben mich aufs Bett gesetzt und gesagt „hey… wir schaffen das!“
Das ist nun 12 Jahre her und in dieser Zeit ist so viel passiert. Wir haben einen gesunden, fidelen Sohn bekommen und viel erlebt.
Seit ich etwa 2 Jahre nach der MS-Diagnose angefangen habe, mein Leben genauer anzuschauen und festzustellen „hey.. warum stresst Du Dich selbst eigentlich so? Was soll das?“ und dann natürlich auch Dinge geändert habe, erlebe ich mein Leben viel mehr als Geschenk, als ich das noch viele Jahre vorher konnte.
Denn es ist in den meisten Fällen so, dass viele Dinge gar nicht aufregenswert sind, wenn man selbst kein Drama draus macht. Meint: manchmal tut es einem besonders gut, über Dinge zu lachen, anstelle sich zu grämen.
Das ist aber keine leichte Übung und es ist wie beim Sport auch. Ein Muskel braucht viel länger, bis er stark wird, aber ist umso schneller wieder schwächer, wenn er nicht gefordert und weiterhin trainiert wird. Und auch hier komme ich wieder zum Thema Dankbarkeit und somit schließt sich der Kreis.
Ich bin total dankbar, dass ich das 2. Mal den WingsForLifeWorldRun mitlaufen konnte und dass mein Körper da so gut mitgemacht hat. Den Trainingslauf dafür konnte ich bei der Gesundheitsmesse in Bindlach erledigen, als ich hauptsächlich mit Steffi in Sachen MS unterwegs gewesen war.
Ich habe auf vielen Ebenen so tolle Menschen kennen lernen dürfen, die ich sonst gar nicht kennen würde. Sie alle aufzuzählen würde hier völlig den Rahmen sprengen.
Aber was ich sagen kann, ist: meine Krankheiten bzw. Handicaps haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Und haben mich so viel lernen lassen vom Leben, aber auch von den Menschen, die mich begleiten oder die ich begleite,
Denn das erfüllt mich: anderen zu helfen und Gutes zu tun – weil ich hoffe, dass jemand anderes es vielleicht später auch mal gut mit mir meint, falls ich mal nicht mehr so kann, wie aktuell. Die Zukunft ist ungewiss, die Vergangenheit ist vergangen – wir können nur die Gegenwart beeinflussen.
Und darum rate ich immer gerne jedem, der es hören mag oder auch nicht:
„Tu, was Dich glücklich macht – und zwar viel davon!“
Lasst es euch gutgehen und tut das eurige dazu 🙏